Seit langem schon nagt an mir das schlechte Gewissen, wann immer ich ins Auto steige. Denn noch ist es ein Verbrenner. Seit dem ich mal beim Chaos Camp mal auf einem elektrifizierten Liegerad probe gefahren bin ist mir klar, das ist der Antrieb der Zukunft! Stark, leise und sauber – so sauber der Strom eben ist, den man in den Akku gesteckt hat. Seitdem, und das ist nun schon fast 10 Jahre her, suche ich nach bezahlbaren und sinnvollen Elektrofahrzeugen. Sinnvoll ist dabei natürlich so eine Sache und sehr individuell.
Wir haben eigentlich zwei Anwendungsszenarien:
- tägliche Fahrt zur Arbeit und zurück, das sind ca. 11km pro Richtung, mit gelegentlichen Abstechern zum Einkauf, also rund 20-30km am Tag
- gelegentliche Besuche bei Verwandtschaft, entweder ca. 100km pro Strecke oder ca. 250km pro Strecke
Hinzu kommt, wir sind eben zu zweit, d.h. kleine winzige Spaßmobile für eine Person nutzen nichts, denn dann würde die andere noch immer das Verbrenner Auto bewegen müssen. Damit fielen dann also Dinge wie ein City-EL oder elektrische Fahrradumbauten eher weg, es sei denn man kauft gleich zwei und das wird dann zuviel, das lohnt sich einfach nicht.
Sono – Sion
2018 hörte ich dann (wieder) von Sono Motors und dem Sion, ein Deutsches Start-Up baut ein Elektroauto von Grund auf neu mit integrierten Solarzellen überall wo Fläche ist, für bis zu 30km extra Reichweite am Tag – genial!

(c) Sono Motors

(c) Sono Motors
Habe ich auch gleich vorbestellt, Nr. 6770. Ein neues Auto zu bauen ist ein gewaltiges Projekt und daher ist es leider auch heute, Juni 2021, noch nicht verfügbar. Wir behalten unsere Bestellung aufrecht und werden ihn auch kaufen, wenn der Sion endlich verfügbar ist, was vermutlich für uns erst Mitte 2022 der Fall sein wird. Ob bis dahin noch eine staatliche BaFa Förderung möglich ist, ist heute kaum abzuschätzen. Kaufpreis gesamt incl. Akku wird bei ca. 25.000 EUR liegen, was für ein solches Auto völlig in Ordnung ist.
e-Up1! Teil 1

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Fast genau vor einem Jahr haben wir uns von einem lokalen VW Händler einen e-UP! geliehen und sind damit zu meinen Eltern die 250km gefahren. Das Fahren in dem e-Up ist einfach großartig! Der hat richtig Anzug, wenn man mal auf das Strompedal tritt, lässt sich super fahren und ist extrem ruhig! Ein schönes Gleiten. Recht schnell haben wir aber natürlich auch die Probleme gemerkt. Auf der Autobahn etwas flotter unterwegs, also gerade mal 120km/h, und der Energiebedarf geht deutlich nach oben, die Reichweite entsprechend nach unten. Mit der Geschwindigkeit kommt man nicht auf die angegebenen 260km Reichweite. Mit unserem Verbrenner bin ich eher im Schnitt 120-130km/h gefahren. Auf Langstrecke wird das mit dem e-Up dann schnell etwas knapp.
Doch das würde uns für 90% unserer Fahrtkilometer von zu Hause zur Arbeit und zurück nicht stören. Der Rest hat uns völlig überzeugt und wir hätten sofort einen neu gekauft, nicht zuletzt auch wegen der satten staatlichen Förderprämie, die den Gesamtkaufpreis auf dann vertretbare ca. 15.000EUR reduziert hätte. „Hätte“, denn leider war schon letztes Jahr kein e-Up mehr bestellbar, die gesamte Produktion bis zum Ende der damaligen Förderung ausverkauft und es sollten keine Neuen mehr danach kommen. Na super.
ID3 ? Och nö…

(c) CC-BY-SA 4.0 int, by user Vauxford at WikiMedia
Als Alternative wurde uns der ID3 angeboten. Nun… wir haben den mal kurz Probe gefahren und, nunja, waren nur mäßig begeistert. Klar, jede Menge elektronisches Spielzeug! Etwas größer auch. Doch irgendwie überzeugte das alles nicht, denn alles war weder Fisch noch Fleisch. Die ganze tolle Elektronik war mehr verwirrend als helfend, die Touch-Tasten seltsam zu bedienen, wir haben es nicht einmal geschafft, die normale Lüftung einzuschalten, ohne es uns zeigen lassen zu müssen. Auch die Größe ist so ein Mittelding. Alles ist etwas größer als der e-Up, aber noch immer zu klein, um wirklich einen signifikanten Unterschied zu machen. Was aber einen signifikanten Unterschied macht ist der Preis! Selbst der kleinste ID3 kostet über 10.000EUR mehr als der e-UP und bringt dafür kaum Vorteile, nichtmal die Reichweite ist höher. Erst wenn man noch einmal gut 10.000EUR drauflegt wird der iD3 endlich interessant, doch dann ist man bei um die 40.000EUR Kaufpreis – und bekommt noch immer einen Kompromiss. Das war also keine Option.
Gebraucht?
Durch die staatliche Förderung ist der Markt für E-Autos reichlich überhitzt und die Preise sind aktuell recht hoch – klar, denn die Hersteller kalkulieren sicherlich die Kaufkraft plus der staatlichen Förderprämie. Entsprechend liegen die Neupreise hoch und die Gebrauchtpreise sind sehr oft auch viel zu hoch. So wird bspw. der e-Up teilweise gebraucht zum Neuwagenpreis abzüglich Förderung angeboten, also ca. 15.000EUR für einen _gebrauchten_ e-Up! Oder schier Hunderte gebrauchte Renault Zoe. Auch ein nettes E-Auto! Aber die meisten davon kommen leider mit einem Mietakku, d.h. man bezahlt ab. ca. 10.000EUR für das Auto und dann monatlich knapp 100EUR für den Akku. Das geht für mich gar nicht, ich miete kein essentielles Teil meines Autos! Glücklicherweise haben praktisch alle Hersteller diese Akku Mietpraxis wieder eingestellt, doch der Gebrauchtmarkt ist jetzt voll mit Wagen mit Mietakku und verzerren so den Preisspiegel.
Twizy
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Vor Jahren hatte ich mal im Linux Hotel in Essen einen Renault Twizy Probe fahren können. Das ist schon ganz witzig und reicht auch für die Strecke von zu Hause ins Büro und zurück. Manche Twizy Angebote bekommt man nun auch mit Kauf-Akku. Doch die Gebrauchtpreise sind meist ganz schön hoch, für so ein vergleichsweise winziges Spaß Auto mit geringer Leistung – keine Fenster, keine Heizung (im Winter!?), max. 85km/h Geschwindigkeit, null Stauraum, Beifahrersitz ist zwar vorhanden aber super unbequem, mit Ach und Krach vielleicht 90km Reichweite, eher deutlich weniger – weio. Das wäre ein heftiger Kompromiss mit sehr eingeschränkter Alltagstauglichkeit. Lustig, aber zu viel Geld für zu wenig Gegenleistung. Preise für Gebrauchte mit Kaufakku rangieren bei ca. 5.000 EUR.
Tesla – Model S 85 !
Spaßeshalber habe ich dann nochmal nach gebrauchten Tesla Model S geschaut. Und siehe da, da gab es ein Schönes S85 in rot, gute Ausstattung, 182.000lkm gelaufen aber noch sehr gut in Schuss, das Bild ist nicht genau das Auto, aber es sah fast genau so aus:

(c) CC-BY-SA 2.0 generic, by user harry_nl of WikiMedia
Tesla Model S ist mein Traum Auto, seit dem es auf den Markt gekommen ist – einfach super schön! Also haben wir etwas Geld zusammengekratzt und uns mal etwas gegönnt! Dazu sagen muss ich auch, und das wussten wir, der Wagen ist ein USA Import und hatte in den USA einen „kleinen“ Frontschaden – hauptsächlich etwas Blech und Plastik. Der Vorbesitzer hat das super reparieren lassen, alles prima. Zudem hatte der Wagen, weil Baujahr 2013, noch kostenloses Laden an den Tesla Superchargern. Das ist schon eine feine Sache! Mit bis zu 55kW geht das Laden recht zügig, auf Langstrecke bedeutet das dann etwa nach zweieinhalb bis drei Stunden eine Pause von 30 bis 45 Minuten und es kann weitergehen. Man sollte ohnehin mehr Pausen beim Fahren machen, also ist das völlig in Ordnung.
Fahren im Model S ist ein Traum. Völlig ruhiges Dahingleiten und wenn es sein muss, selbst bei 130 noch einen Sprint auf 180 machen – in wenigen Sekunden! Das ist schon irre. Innen gibt es reichlich Platz, wenngleich wenig Stauraum für Kleinkram. Aber das alles störte uns gar nicht.
Als eine der ersten Aktionen bin ich damit zum Tesla Service nach Köln gefahren, um dort mal nach dem Rechten sehen zu lassen. Da kam dann auch gleich der Schock! Für solcherlei USA Importe verweigert Tesla Deutschland jeden Service! Die fassen den Wagen nicht an, kein Stück. Also kein Software Update, kein Upgrade auf LTE, was eigentlich ein offizieller Recall ist, keine Reparaturen, nichts. Angeblich wegen Sicherheitsrisiken an der Hochvolt Technik etc. Das halte ich aber eher für vorgeschoben, in Wahrheit wird es eher um Marktschutz gehen. Sie sagten, ich könne den Wagen vielleicht wieder in Service bringen, wenn ich eine Komplettbegutachtung in Auftrag gäbe, die dann mindestens 1.500EUR kosten würde. Und wenn sie den Wagen damit dann wieder in Service und damit „online“ nähmen, wäre auch der kostenlose SuperCharger weg. Wie bitte?
Tesla ist ein cooler Laden und ganz sicher Pionier in der Elektro Auto Branche. Aber solcherlei Gebaren ist unwürdig kleinlich. Seit Neustem werden auch alle Gebrauchtfahrzeuge, die von Tesla selbst verkauft werden, von praktisch allen per Software konfigurierbaren Paketen befreit, bevor sie wieder in Verkauf durch Tesla kommen – SuperCharger, weg. Auto Pilot, weg. Das ist schon ganz schön dreist, auf diese Weise an diesen Optionen mehrfach Geld verdienen zu wollen. Doch das ist wohl eine Tendenz bei allen dieser Tage, immer mehr Auto Hersteller kündigen „App Stores“ für ihre Autos an. Man kauft Funktionen also nicht mehr, man lizensiert sie. Das ist keine gute Entwicklung.
Zurück auf Los
Nachdem wir den Tesla dann schweren Herzens wieder zurückgegeben haben, habe ich wieder länger nach irgendetwas geschaut, um die Zeit bis zum Sion zu überbrücken. Einige Smart ForTwo mit Kaufakku sind inzwischen auch ganz bezahlbar, doch so ein kleines Mini Auto, gebraucht mit deutlich über 50.000km für dann doch noch weit über 6.000EUR ist schon ein Wort. Dann landete ich wieder in der Preislücke zwischen so um die 6 bis 7 tausend Euro, dann Lücke (ab hier kommen die Zoes mit Mietakku) und dann wird es erst wieder um die 15.000EUR interessant.
BMW i3

(c) CC-BY 4.0 int, by user Pierre-Selim Huard from WikiMedia
Und da fand ich dann BMW i3. Auch ein noch eher kleines Auto, aber mit sehr schicken Ausstattungsoptionen! Nur leider sind die bezahlbaren Modelle alle mit dem winzigen 60Ah Akku. Damit kommt man wieder nur, je nach Wetter, um die 100km weit. Man hätte also ein schönes Auto, zur Arbeit und zurück geht, aber weiter weg ist ausgeschlossen, mit 100km Reichweite? Drei mal voll laden, um zu meinen Eltern zu kommen? Keine Chance. Doch da gibt es ja auch noch den REX im i3, den Range Extender! Ein kleiner 750ccm Benzinmotor mit Generator, der es dann auf insgesamt 300km bringen soll! Die 300km sind gut, aber wieder ein Benziner? Dann auch noch zusätzliche Energieverluste durch Verbrenner -> Generator -> E-Motor? Ne, das überzeugt nicht. Und i3 mit größerem Akku gibt es zwar, doch die sind gebraucht noch immer prohibitiv teuer, eher in der Region ab 16.000EUR aufwärts und dann auch schon mit hinreichend Kilometerleistung. Macht also keinen Sinn.
Karabag New Fiat 500e

(c) Karabag GmbH
In den 2010ern hat der Hamburger Fiat Händler Karabag angefangen auf eigene Faust den New Fiat 500, eine niedliche Knutschkugel, auf E-Antrieb umzurüsten. Total witzig! Benziner raus, Linde Gabelstaplermotor rein, eigene Steuerung gebaut, 11kWh Akkupack unter der Rücksitzbank und Kofferraum, fährt! Diese „New 500e“ bekommt man heute für um die 5.000EUR mit teils geringer Laufleistung. Wir sind mal einen Probe gefahren. Mit bis zu 105km/h reicht das für den Stadtverkehr, die ca. 100km Reichweite auch. Als Heizung ist eine Eberspächer Methanol Standheizung eingebaut, gerade im Winter super!
Das wäre schon super für unseren Weg zur Arbeit und zurück. Hat aber auch ein paar Haken und Ösen. Zum einen natürlich, das ist nun bald über 10 Jahre her und nur von diesem Hamburger Karabag Händler gebaut. Service dafür, gerade für den Elektro Teil, wird schwierig. Dadurch das es ein Umbau und keine originäre Konstruktion ist, gibt es ein paar typische Schwachstellen, eine davon ist der Akku und das Temperaturmanagement davon – nimmt man tüchtig Leistung ab (am Berg etc.) dann überhitzt der schnell und das Auto schaltet sich ab. Und last but not least, auch wenn die neuere New 500e einen Typ-2 Ladeanschluss haben, so kommen wohl viele Ladestationen damit nicht zurecht und laden entweder nicht oder stürzen ab. So 100% Typ-2 konform ist der Kleine dann wohl doch nicht 🙂 Aber dafür kann man ihn mit einem einfachen Kabel an der Schuko Steckdose zu Hause laden.
Wir hätten beinahe einen mit wenig Kilometer und sehr gutem Zustand für knapp 6.000EUR gekauft…
Zurück zum e-Up!
Im Mai 2020 hätten wir den Probe e-Up sofort neu gekauft! Doch es gab keine mehr bis Dezember 2020 und danach sollten angeblich keine mehr hergestellt werden. Wie es scheint haben aber viele VW Händler stapelweise e-Up vorbestellt, die jetzt Stück für Stück an die Händler ausgeliefert und normal als Neuwagen verkauft werden.
Und so haben wir dann letzte Woche in der Tat einen ergattern können, e-Up United mit allen Sonderausstattungen! Zwar in schwarz, aber nuja, auch nicht schlecht, das quasi standard weiß fände ich auch langweilig.
Jetzt warten wir auf die Bestätigung des Händlers, dass der Wagen bei denen angekommen ist, dann Zahlung, Anmeldung und Abholung!
Bei der Ausstattung liegt der Kaufpreis dann bei 22.115EUR brutto, abzüglich der BaFa Förderung dann also 16.115EUR brutto. Und nun noch einmal verglichen mit Gebrauchtangeboten wie dem BMW i3 ist das ein echtes Schnäppchen! Der e-Up ist dann ein Neuwagen, volle Garantie, gute Ausstattung (elektrische Fensterheber, elektrische Spiegel mit Beheizung, Frontscheibenheizung, Sitzheizung, Fahrerassitenzpaket (=Spurhalteassistent & Tempomat), Rückfahrkamera, Telefonintegration mit Bluetooth, DAB+ Radio etc.), 33kWh Akku (etwa das Doppelte des „kleinen“ i3) und einem wirklich guten Verbrauch. Der e-Up ist eines der wenigen e-Autos, die die angegebene Reichweite von 260km gerne übertreffen, bei sparsamer Fahrweise. Mit ca. 90km/h, also auf der LKW Spur, sollen wohl durchaus um die 11kWh/100km drin sein, das wären also dann eher 300km Reichweite.
Jetzt sind wir gespannt auf den Anruf, wann wir das Neue endlich abholen kommen dürfen 🙂