Über mich

nica-portDie Frage nach Identität wurde zu einem zentralen Teil meiner persönlichen Entwicklung. Jeder Mensch hat mehrere Identitäten, mehrere Rollen, in denen man auftritt und manche haben auch, je nach Situation und Rolle, mehrere Schwerpunkte in ihrem täglichen Leben und Erleben. Wir sind die Kinder unserer Eltern, Bruder oder Schwester, werden vielleicht irgendwann Tante oder Onkel, Vater oder Mutter, Oma oder Opa. Wir sind Mitschüler_in, vielleicht Kommeliton_in, Kamerad_in, Ehemann oder Ehefrau, Angestellte_r, Chef_in oder ehrenamtliche_r Mitarbeiter_in. Diese Identitäten können sehr unterschiedlich sein, sehr unterschiedliche Ausgestaltung erfordern, bilden selbst wiederum andere Kontexte, verändern unser Handeln und die persönliche Entwicklung. Aspekte der einen fließen in die Ausgestaltung der anderen ein.

Für mich hat die Frage nach Identität 2013 / 2014 sehr konkrete Formen angenommen und Veränderungen erfordert und gefördert, die seitdem meinem Leben ganz neue und ganz spannende Impulse gegeben haben.

Den größten Teil hat bisher meine fachliche und berufliche Entwicklung eingenommen. Schon immer faszinierten mich Computer und blinkende Lichter, also wurde dies zu meiner Profession, zu meinem Gewerbe. Nach dem Abitur 1990 und Zivildienst studierte ich daher technische Informatik in Siegen, eine Mischung aus Elektrotechnik und Informatik. Ich wollte schon immer wissen, wie Dinge funktionieren, daher war eben auch die Elektronik für mich wichtig.

Zudem war ich schon immer ein politischer Mensch. Ich glaube daran, dass es wichtig ist, sich eine Meinung zu bilden und diese auch im Diskurs zu vertreten. Nur so kann es gesamtgesellschaftlich eine Entwicklung zum Besseren geben, in der sich auch alle wiederfinden und vertreten fühlen. Ich scheue mich daher auch nicht, unübliche und ungewöhnliche Wege zu gehen, dazu zu stehen und dies auch zu vertreten.

Zusammen mit meiner politischen „Natur“ führte mich dies recht bald zur freien Software. Quelloffene und freie Software ist mehr, als nur Computerprogramme zum kostenlosen herunterladen. Freie Software ist auch eine Philosophie, eine Kultur und ein gesamtgesellschaftliches, hoch politisches Thema. Also genau etwas für mich!

Zusammen mit einem Uni Kommelitonen gründete ich dann 1999 eine kleine Firma. Wir wollten mit freier Software, hauptsächlich Linux, auf Plattformen, die keine PCs sind, Geld verdienen. Die Firma existiert heute (2016) nach wie vor und mittlerweile sind wir über 10 Personen, die dort arbeiten und ihr Auskommen mit der Arbeit an und mit freier Software haben. 2017 habe ich die Firma allerdings verlassen und arbeite nun als CTO für Purism.

Dies ist meine Identität als IT Mensch, als politischer IT Mensch, mit Grundsätzen und Zielen, die über das reine Geld verdienen hinaus gehen.

Die Politik selbst war entsprechend auch ein interessantes Feld für mich. Mit dem Aufkommen der Piraten Partei hatte ich erstmals eine Partei, mit deren Zielen und Arbeitsweise ich mich identifizieren konnte und so wurde ich 2011 Mitglied. Ich habe mich lokal engagiert, die lokale Gruppe unterstützt und wurde 2012 als Direktkanditat für die Landtagswahl NRW und 2013 als Direktkanditat für die Bundestagswahl aufgestellt. Der Einblick in die Politik war für mich sehr aufschlussreich und spannend. Zur Zeit ruht dieser Teil allerdings etwas; warum, wird gleich deutlicher werden.

Dies ist meine politische Identität.

Dann kam das Jahr 2013 und eine fast 35 jährige Entwicklung brach sich Bahn. Bereits seit meiner Kindheit hatte ich das starke Gefühl, irgendwie anders zu sein, konnte es aber damals noch nicht konkret benennen. Ich merkte aber, dass einige meiner Interessen und Vorlieben irgendwie nicht mit den Erwartungen an mich übereinzustimmen schienen. Als Kind habe ich dann allerdings dennoch versucht diese zu erfüllen, woher hätte ich denn schon wissen sollen, was das alles zu bedeuten haben könnte? Mit der Pubertät wurde es dann immer klarer, stand aber nun in noch krasserem Widerspruch zu meiner Umwelt und den jetzt noch stärkeren Erwartungen.

Diese Gefühle schleppte ich dann 35 Jahre mit mir herum und von Jahr zu Jahr wurde mir klarer, dass es nicht die Gefühle waren, die falsch waren, sondern zu versuchen, sie nicht zuzulassen, sie zu unterdrücken, beiseite zu schieben und lieber den Erwartungen anderer zu entsprechen. Der Druck wuchs. Doch etwa 2010 begann es belastend zu werden, auf eine Art, die auch meinen Alltag zu beeinflussen begann. Die Gedanken begannen nur noch um das eine Thema zu kreisen, die Konzentration auf meine Arbeit wurde immer schwerer und soziale Kontakte begannen zunehmend darunter zu leiden. Ich begann mich abzukapseln. Als wir 2013 von einer ausgedehnten USA Reise zurückkehrten, merkte ich auf einmal, dass es so nicht mehr weitergehen konnte und ich etwas ändern musste, egal was es kosten würde.

Nach einigem Hin und her war dann mir und meiner Partnerin Anfang 2014 klar, was passieren musste – ich bin trans* und meine Geschlechtsidentität ist vielmehr die einer Frau, als die eines Mannes. Also wurden Pläne gemacht und umgesetzt. Seit dem 22. Mai 2014 lebe ich öffentlich und privat so wie ich mich fühle, wie es endlich völlig richtig und stimmig ist.

Der lange Kampf mit mir selbst und die lange Beschäftigung mit dem Thema, praktisch mein ganzes Leben lang, hat mich zu der Einsicht gebracht, dass es absolut richtig und wichtig war, diesen Schritt zu gehen und das ich es wohl schon früher getan hätte, wenn ich mehr, andere und bessere Unterstützung und Informationen vorgefunden hätte. Genau dies möchte ich nun mithelfen zu verbessern und engagiere mich daher ehrenamtlich in verschiedenen Gruppen und Organisationen.

Dies ist meine Trans* Identität.