Was ist Transsexualität?

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Für einen Thread in einem Forum habe ich zur Beschreibung von Transsexualität mal folgenden Artikel geschrieben:

Transsexualität (TS) ist nicht mit pathologischen Störungen zu vergleichen. Mittlerweile sind sich alle ärztlichen Fachrichtungen eigentlich fast sicher, dass TS keine plötzlich auftretende Störung eines normalen Zustandes ist. Der Gesamtzustand dieser Personen ist von Geburt an unstimmig – schon alleine der Begriff „Störung“ scheint nicht anwendbar, denn es ist im Prinzip alles in Ordnung. Personen die transsexuell sind haben eine gesunde und völlig normale Geschlechtsidentität und einen, meistens, ganz normalen und gesunden Körper. Nur passen beide leider nicht zueinander. Dies ist keine Störung der Selbstwahrnehmung sondern in der Regel eher die korrekte Selbstwahrnehmung, die nur durch den Widerspruch mit dem Körper als störend wahrgenommen wird. Der Begriff der „Geschlechtsidentitätsstörung“ rührt nur aus der pathologischen Beschreibung wie dem International Catalog of Deseases (ICD) und der Klassifikation von Krankheitsbildern her – dies ist das berühmte F64.0. Dies wird von Betroffenen oft als diffamierend oder beleidigend empfunden, denn sie sind nicht krank im klassischen Sinne. Aber die Diskrepanz zwischen gefühlter Geschlechtszugehörigkeit und biologischem Körper sorgt für eine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit: Psycho-Therapie zur Bewältigung und Unterstützung für den Alltag sowie Maßnahmen wie gegengeschlechtliche Hormone, bei MzF Epilation und schlussendlich, wenn gewünscht, chirurgische Angleichung der Genitalien und/oder bei FzM Amputation der Brüste. Läge die Behandlungsbedürftigkeit nicht vor, dann wären die Krankenkassen auch nicht zur Leistung verpflichtet.

Sofern es sich wirklich um Transsexualität handelt, so ist dies weder krankhaft noch als solches selbst therapierbar. Aktuell geht man davon aus, dass es sich dabei um eine angeborene Veranlagung handelt und entweder durch hormonelle Einflüsse während der Schwangerschaft und / oder durch genetische Varianzen ausgelöst wird. Doch wirklich belegt ist weder das eine noch das andere, weshalb es auch keinen aussagekräftigen Test für Transsexualität gibt. Es ist eine Sache der eigenen Empfindung und Selbstwahrnehmung, was dann auch die Sache so schwierig macht.

Transsexualität ist kein rosa Pony Hof und ganz sicher nichts, wofür man sich willentlich entscheidet. Viele TS sind schon lange bevor sie sich selbst richtig erkennen tief unglücklich, wissen nur noch nicht warum. Sie haben Probleme im Alltag mit sozialen Kontakten oder in Beziehungen. Kommen sie langsam zu der Erkenntnis, dass Körper und Geist/Seele nicht zusammenpassen, fallen viele in ein riesiges depressives Loch. Das ganze Leben erscheint sinnlos und ein Ausweg ist nicht in Sicht. Nicht wenige werden in dieser Situation patholgisch depressiv oder haben sehr ernsthafte Suizidgedanken. Der erste Schritt zu einer Selbsthilfegruppe oder einem Psychologen ist schwer, vor allem je älter die Betroffenen sind. Über etwas derart Intimes und dann auch so scheinbar Verrücktes mit einem potentiell Fremden zu sprechen, kostet viel Überwindung und Kraft.

Ist es halbwegs sicher, dass es sich um Transsexualität handelt, sind die nächsten Schritte kein Stück leichter. Irgendwann müssen nahestehende Personen eingeweiht werden – die lange Zeit des Outings beginnt. Zunächst vermutlich die Partnerin oder dem Partner. Nur ca. 15% der Beziehungen überleben mittelfristig die Transsexualität eines Partners. Dann vielleicht gegenüber Freunden. Auch hier trennt sich oft und schnell Spreu von Weizen, die echten Freunde von den „nur Bekannten“. Nicht alle verkraften soetwas gleich gut, vor allem je nachdem, wielange sie die Person vorher schon kannten. Am Arbeitsplatz kann es auch leicht kritisch werden, je nach Branche und natürlich je nachdem, welche Kollegen man hat. Mobbing ist aber nicht ungewöhnlich und der überwiegende Teil der TS verliert irgendwann, meist noch während der Transition, den alten Arbeitsplatz. Viele haben es danach schwer, wieder einen Arbeitsplatz entsprechend ihrer Qualifikation oder überhaupt einen zu finden.

Für Frau-zu-Mann (FzM) ist dies noch etwas einfacher, für frühe Mann-zu-Frau (MzF) geht es meist auch noch halbwegs gut, da sie gerade ihr Berufsleben erst beginnen. Aber für sogenannte Typ-2 Transsexuelle im typischen Alter zwischen 35 und 45 wird es in der Regel hart, vor allem weil Mann-zu-Frau in diesem Alter noch lange oder sogar für immer als Mann-zu-Frau Transsexuelle erkennbar bleiben werden. Für Frau-zu-Mann ist es etwas einfacher, da sie in der Regel schnell ein gutes Passing erreichen. Und dann sind da noch Eltern und Familie (Geschwister etc.). Viele Familien zerbrechen daran, wenn Eltern oder andere Familienangehörige damit gar nicht klar kommen. Nicht wenige Transsexuelle verlieren praktisch jeglichen Kontakt zu ihren Eltern oder sogar der ganzen Familie – sehr traurig.

Doch für Betroffene ist dies in der Regel ein Preis, den sie zwar nicht gerne, aber bereit sind zu zahlen – denn ein Leben mit dem Widerspruch zwischen Geschlechtsidentität und der Realität, sei es körperlich als auch gesellschaftlich, ist für sie noch unerträglicher.

Die Körperlichkeit ist dabei so eine Sache und wird auch unterschiedlich empfunden. Für einige muss alles körperlich stimmen. Für andere sind es nur Teilaspekte, die angeglichen werden müssen. Und es gibt auch einige, die dann zwar formal dem anderen Geschlecht angehören, also Vornamen und Personenstand geändert haben, aber keine weiteren Maßnahmen wie Hormone oder chirurgische Eingriffe wünschen.

Einige derer, die nur eine Teilangleichung wünschen, geben unter anderem auch an, dass sie sich das zwar prinzipiell vorstellen könnten, ihnen aber das Risiko des Eingriffs zu groß ist. Bei Frau-zu-Mann ist es wohl am drastischsten. Die Amputation der Brüste (Mastektomie) ist der noch halbwegs harmlose Teil. Größer und damit risikoreicher ist die Entfernung von Gebährmutter und Eierstöcken. Und noch problematischer ist der Penoid Aufbau, die Schaffung eines Penis. Es gibt eine ganze Reihe von Berichten, wo dies kläglich gescheitert ist und bis zu 40 Operationen nötig waren, um noch etwas zu retten. Schnell geht dabei die sexuelle Empfindsamkeit verloren und damit die Fähigkeit, noch einen Orgasmus erleben zu können. Daher verzichten viele Frau-zu-Mann TS auch auf den Penoid Aufbau.

Für Mann-zu-Frau sieht es etwas einfacher aus, ist aber auch keinesfalls risikofrei. Der Aufbau einer Scheide, Klitoris und Vagina ist nicht völlig trivial und auch hier geht oft genug etwas schief, also Probleme bei der Operation, Fehler des Operateurs etc. Hinzu kommen normale Probleme, die auftreten können, wie z.B. Probleme beim Stuhlgang bzw. mit dem Enddarm, weil für die Neo-Vagina Teile der Beckenbodenmuskulatur durchtrennt werden müssen und damit etwas Halt verloren geht. Andere leiden anschließend an Blasen-Inkontinenz. Und zuguterletzt ist natürlich nicht garantiert, dass die Empfindsamkeit völlig hergestellt werden kann. Manche bleiben taub oder zumindest soweit unempfindlich, dass sexuelles Empfinden nur eingeschränkt möglich ist oder im schlimmsten Fall völlig ausbleibt, also Verlust der Orgasmusfähigkeit.

Zum Glück gibt es heute nach Transsexuellen Gesetz (TSG) und den richterlichen Entscheidungen keine Verpflichtung mehr, dass zur Änderung des Vornamens und/oder des Personanstandes operative Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Damit können Betroffenen nun frei selbst entscheiden, welche Maßnahmen sie vornehmen lassen wollen, um ihr persönliches Gleichgewicht zwischen Geist und Körper herzustellen.