Formales und Medizinisches

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Nachfolgendes ist _nicht_ als Anleitung gemeint. So habe ich es bis hierher gemacht und das hat für _mich_ gut funktioniert, doch das muss nicht für jede so klappen oder gut sein. Aber vielleicht gibt es eine Idee, wie es auch ablaufen kann. Leider bin ich schon immer eigene Wege gegangen und habe selten etwas gemacht, weil es andere auch so machen. Wenn ich etwas mache, dann muss es für mich Sinn ergeben und das ist offenbar oft nicht das, wie es „alle anderen“ machen 🙂

Also fange ich mal mit den Formalien an.

Manche warten mit der Änderung des Vornamens in Dokumenten bis zur amtlichen Vornamensänderung. Doch das ist nicht immer und für alles nötig. Viele Stellen sind entgegenkommend und ändern zumindest den Vornamen und Anrede mit dem man angesprochen wird auch schon vor der amtlichen Vornamensänderung. Meine Krankenkasse war zum Beispiel so freundlich. Ich bekam schon recht früh, noch vor irgendwelchen Gutachten, eine neue Versichertenkarte auf den neuen Vornamen. Das macht Arztbesuche natürlich deutlich angenehmer, denn ich muss mich nicht sofort immer und überall erklären. Die Versicherung hat dazu einen guten formalen Kniff gefunden. Vertragspartner ist immernoch der Mann, aber die versicherte Person ist die Frau. Damit kann ich gut leben.

Im Tagesgeschäft spielt der Vorname keine wirklich formale Rolle. Man kann ohne Probleme mit dem neuen Vornamen unterschreiben und auch ihn auch in jeglichem Schriftverkehr benutzen. Juristisch wird es nur problematisch, wenn man dies in betrügerischer Absicht täte. Doch das liegt mir fern und die Zuordnung des neuen weiblichen Namens zu dem alten männlichen Namen ist eindeutig.

Reisen mit dem Flugzeug habe ich gerade innerhalb Deutschland probiert – kein Problem. Es interessiert einfach niemanden, was da in den Papieren steht und das das unter Umständen mit der Person vor dem Schalter nicht ganz übereinzustimmen scheint. Eigentlich seltsam, ist aber so. Gerade Sicherheitsbeamte, Polizei und Zoll dürfen auch, geregelt durch das Antidiskriminierungsgesetz, sich nichts anmerken lassen. Sollte da doch mal einer komisch werden, sollte man mit Dienstaufsichtsbeschwerde drohen.

Jetzt gibt es noch ein Problem, dass wohl leider nicht zu überwinden scheint: Plastikgeld. EC Karten oder Kreditkarten sind persönliche Karten und tragen den Namen. Grundsätzlich müssen Akzeptanzsstellen, also z.B. ein Geschäft oder Tankstelle, sich vergewissern, dass die vorgelegte Karte auch der Person gehört, die sie übergibt. Ein Name, der nicht zu der Person passt, ist dann eigentlich ein klarer Grund, die Karte abzulehnen. De-facto passiert das natürlich selten, aber es passiert. Man könnte das dann natürlich vor Ort aufklären, doch das ist nicht immer eine angenehme Situation. An der Nachttankstelle, mitten zwischen noch schnell ein paar Bier kaufenden Raufbolden, möchte ich nicht erklären müssen, dass ich transsexuell bin etc. Nein danke.

Also wollte ich von meinen Banken eine Karte auf den neuen Namen. Das als Kontoinhaber immernoch der Mann eingetragen ist, ist für mich kein Problem. Aber eine Karte, also eine Verfügungsberechtigung, auf den neuen Namen könnte doch drin sein? Offenbar nicht. Zwei Banken haben dies bereits abgelehnt. Sie würden erst den Namen ändern, wenn die offizielle Vornamensänderung erfolgt ist. Ich sehe das ehrlich gesagt nach wie vor nicht ganz ein, habe aber leider auch keine Handhabe dagegen. Also werde ich wohl noch ein paar Monate mit den alten Karten zahlen müssen… oder Bargeld nehmen.
Und nun das Medizinische.

Hier nochmal die herzliche Bitte, dies nicht als Anleitung misszuverstehen, OK?

Also… seit November 2013 nehme ich als Anti-Androgen Spironolacton. Dies ist in Deutschland recht ungewöhnlich, denn hierzulande wird üblicherweise nach wie vor Cyproteronacetat (CPA) verschrieben. Doch CPA hat diverse mögliche Nebenwirkungen, auf die ich wirklich verzichten kann. Dazu zählt z.B. eine stark erhöhte Thrombosegefahr und zudem auch noch eine erhöhte Leberschädigung. Auf Dauer kann es das nicht sein. Außerdem leiden viele Transfrauen mit CPA unter starken depressiven Schüben, die oft recht eindeutig auf CPA zurückzuführen sind. CPA ist in vielen anderen Ländern, z.B. in den USA, gar nicht erst zugelassen! Also was nehmen Transfrauen dort stattdessen? Spironolacton.

Spironolacton ist eigentlich ein Diuretikum, also ein Mittel zur Entwässerung und damit Senkung des Bludrucks. Eine Nebenwirkung ist seine Anti-Androgene Wirkung bei etwas erhöhter Dosierung. Allgemeine andere Nebenwirkungen sind eher moderat und auch die sonstige Belastung des Körpers relativ gering. Man sollte dann nur lediglich etwas mehr trinken und regelmäßig den Kalium-Blutspiegel kontrollieren lassen. Die Anti-Androgene Wirkung ist nicht ganz so stark wie bei CPA, aber für uns Transfrauen allemal ausreichend.

Ich habe seit November täglich 2 x 100mg jeweils zu den Hauptmahlzeiten genommen. Unerwünschte Nebenwirkungen spürte ich keine, bis auf die Tatsache, dass ich etwas öfter zur Toilette muss.

Trotz Spiro schwirren noch einige Testosterone und Derivate im Körper herum und eines der Stoffwechselprodukte davon ist Dihydrotestosteron, kurz DHT. DHT ist als Androgen nicht mehr wirksam, aber es hat die blöde Eigenschaft, sich gerade in den Haarwurzeln der Kopfhaare anzusammeln und diese zu verstopfen. Langfristig führt dies zum Absterben der Wurzel und damit zum typisch männlichen Haarausfall – Geheimratsecken und Tonsur, kurz Hirsutismus. Als Frau kann man soetwas gar nicht gebrauchen. Also habe ich zu dem Spiro noch Finasterid ergänzt. Finasterid blockiert das Enzym, dass Androgene zu DHT umwandelt. Das hat praktisch keine Nebenwirkungen, schützt aber die Haare. Finasterid nehme ich einmal am Tag 2,5mg. Ich habe die 5mb Tabletten und teile sie zur Hälfte. Das Problem ist nämlich, dass 1mg Tabletten etwa das dreifache der 5mg Tablette kosten – pro Stück! Das ist eine echte Frechheit. Mein Arzt war so nett, mir ein entsprechendes Rezept zu geben und mir zu vertrauen, dass ich sie wirklich teile.

Jetzt gehen alle Pillen bei der Darmpassage zuerst durch die Leber. Mit anderen Worten, praktisch alle Tabletten, fast egal welche, belasten die Leber. Das kann also kein Dauerzustand sein. Ich habe das im November angefangen, als ich mir noch nicht so ganz sicher war, wo das alles hinführen wird. Jetzt wo ich mir sicher bin, dass ich auf Dauer bitte kein Testosteron mehr im Blut haben möchte, sondern viel lieber Östrogene, brauchte ich eine Lösung, die ohne dauerhafte Medikamente auskommt.

Selbstverständlich sorgen extern zugeführte Östrgene bereits dafür, dass der Testosteronspiegel sinkt (Regelkreis über Hypophyse und das Lutenisierende Hormon (LH), gesteuert über den Blutserumspiegel der Geschlechtshormone – egal welche, also ob Androgene oder Östrogene), doch wie weit das geht etc. ist nicht vorhersagbar. Zudem steht es für mich noch nicht fest, dass ich jemals eine Geschlechtsangleichende Operation machen lassen möchte. Das ist ein großer und risikoreicher Eingriff mit sehr ungewissem Erfolg. Was mich allerdings heute schon massiv stört, ja geradezu anwidert, sind die Hoden. Völlig nutzloser Ballast, kontraproduktiv für mich als Transfrau und zuguterletzt auch mechanisch einfach störend.

Also habe ich mich etwas kundig gemacht und meinen Psychologen darum ersucht, mir endlich eine schriftliche Diagnose zu stellen. Diese bekam ich vor knapp drei Wochen. Damit bin ich zur Urologie der örtlichen Klinik und äußerte dort den Wunsch zu einer bilateralen Orchiektomie – oder zu gut Deutsch, zur Kastration, also die beidseitige Entfernung der Hoden. Das ist für Transfrauen noch relativ ungewöhnlich und die Behandlung von Transfrauen an sich in dieser Klinik sowieso. Doch alle in der Klinik waren sehr verständnisvoll, haben sich anschließend kundig gemacht und kurz darauf dem Eingriff zugestimmt. Der Chefarzt hat sich extra noch erkundigt, wie er es am besten macht, um eine mögliche spätere Geschlechtsangleichung nicht zu verkomplizieren. Danke!

Der Eingriff erfolgte heute, 17.7.2014, unter Vollnarkose (aber eine flache Vollnarkose mit Larynx Maske) und ich werde morgen auch schon wieder entlassen.

Da mein Psychologe auch die Indikation für die gegengeschlechtliche Hormontherapie gegeben hat, bin ich nun auch auf der Suche nach entsprechenden Endokrinologen – gar nicht so einfach! Denn auch hier will ich mal wieder nicht nach Schema-F vorgehen. Alle schicken mich zu bereits bekannten Ärzten, weit weg von zu Hause. Es muss doch möglich sein, so etwas einfaches wie ein paar Hormone, auch von einem lokalen Arzt zu bekommen!? Die meisten weisen einen glaube ich einfach nur ab, weil sie nicht bereit sind, auch nur etwas über ihren Tellerrand zu gucken – „Kennen wir nicht, machen wir nicht.“. Doch eigentlich machen es viele Ärzte bereits, die z.B. auch Frauen im Klimakterium (Wechseljahre) behandeln. Wo ist da noch der Unterschied? Naja… noch ist da das letzte Wort nicht gesprochen. Ich finde schon noch einen anderen, als die üblichen 🙂