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Ich habe erst heute, fast sechs Monate zu spät, von Manfreds Tod erfahren und trauere sehr – Tränen fließen, viele Tränen, so wie die Zeit, viel und schnell.
Leider hatten wir nie die Gelegenheit, uns wirklich persönlich zu treffen, dennoch habe ich den aller größten Respekt vor diesem wirklich großen Mann. Eine LSBT Bewegung in Deutschland wäre ohne Manfred nur schwer, vielleicht sogar gar nicht vorstellbar. Unermüdlich, bis zum Ende, setzte er sich für uns alle ein, L-S-B-T-I-Q – alle. Er brach politische Widerstände mit seinem enormen Fachverstand und unerschütterlicher Beharrlichkeit.
Manfred Bruns war einer der Mitbegründer des LSVD und lange Jahre im Vorstand, auch schon zu Zeiten, als schwul zu sein ein gesellschaftliches Todesurteil bedeutete. Doch Menschenrechte waren für Manfred nicht verhandelbar und so setzte er sich für uns ein.
Mich verbinden zwei Ereignisse, nein drei, ganz konkret mit Manfred.
Etwa 2014 begann ich zu realisieren, dass trans* Menschen in Deutschland keine rechte Lobby hatten. Es gab keine bundesweite Vereinigung, keinen Verband, wie den LSVD, und entsprechend schwach war unsere politische Vertretung. Einzelne lokale Gruppierungen, so gut sie auch waren, konnten eben auf Bundesebene nichts ausrichten. Beim LSVD gab es Ansätze zu trans* Arbeit, doch 2014 war das schon eher verhalten. Also schrieb ich den LSVD an, was sie denn von einer bundesweiten Vereinigung für trans* Menschen hielten – und begründete dies wortreich. Die Antwort kam prompt, nur ein oder zwei Tage später, von einem Manfred Bruns, den ich zu dem Zeitpunkt noch nicht kannte. Als ich seinen Namen recherchierte wurde mir schlagartig klar, wer mir da gerade antwortete, wohl informiert und reflektiert. Für mich, damals, war dies wie Steintafeln vom Olymp! Manfred verwies mich an ein paar Personen, mit denen ich dann Kontakt aufnahm, der Rest ist Geschichte: etwa eineinhalb Jahre später wurde der Bundesverband Trans* gegründet.
Ich glaube es war ein paar Monate später, als ich im Waldschlösschen eine andere Gruppe von Menschen traf, darunter Maria Sabine Augstein und auch Manfred Bruns. Es war ein Treffen von LSBT* Jurist_innen, die mal wieder, wie jedes Jahr, berieten, wie sie die Ehe für alle politisch und rechtlich endlich durchsetzen könnte. Ich habe mich vor lauter Ehrfurcht vor diesen Grauen Eminenzen nicht getraut, sie anzusprechen. Dies bereue ich heute. Ich hatte Ehrfurcht, weil ich ganz genau um die Errungenschaften und den jahrelangen Kampf wusste. Wer war ich da schon? Ein niemand. Die Zeit vergeht viel zu schnell, verpasste Gelegenheiten „Danke!“ zu sagen kommen nicht zurück und so bereue ich es nun sehr, nicht doch einen alten gekrümmten aber dennoch so aufrechten Mann angesprochen und ihm meinen Dank ausgesprochen zu haben.
Ende 2018, Anfang 2019 kam Manfred noch einmal in den Fokus, gerade in unseren Fokus, denn nach der Novelle des Paragraphen 45b Personenstandsrecht war es mindestens unklar, wie dies denn für trans* Menschen zu interpretieren sei. Als hervorragender Jurist und Vorkämpfer für LSBTTIQ* Rechte, eine Steilvorlage für Manfred. Er verfasste eine Rechtsexpertise und veröffentlichte sie sogleich in der Fachzeitschrift für Standesbeamt_innen – besser konnte man es nicht machen! Gleichzeitig bot er an, allen, auch trans* Personen, Unterstützung zu geben, die nach Par. 45b PStG ihren Vornamen und/oder Geschlechtseintrag ändern lassen wollten. Das war Anfang 2019, mit 84 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt überlegte auch ich daran und bat ihn um die Kopie seines Artikels – per email. Die Antwort kam prompt, innerhalb eines Tages. Mit seinem Artikel und Attest habe ich das im März 2019 endlich hinter mich bringen können.
Mit Manfred haben wir eine, im besten Sinne, graue Eminenz verloren. Nie nach dem persönlichen Vorteil oder Ruhm heischend, immer für Gerechtigkeit kämpfend, vor allem Gerechtigkeit für LSBTTIQ* Menschen.
Danke, Manfred. Vielen herzlichen Dank!
Wir werden Deinen Rat und Deine Beharrlichkeit schmerzlich vermissen.
Mögest Du Frieden gefunden haben – mehr als verdient.
Viele viele viele Menschen haben Dir sehr viel zu verdanken – so auch ich und senke mein Haupt in größtem Respekt und tiefer Trauer, weine und schweige.