Öffis für 69EUR im Monat flat? Zuviel!

Das 9EUR Ticket war eine, wenn auch etwas über’s Knie gebrochene, aber trotzdem gute Sache. Eine längst überfällig zudem. Der öffentliche Personen Nahverkehr ist extrem wichtig für nachhaltige Mobilität. Ohne Mobilität geht es nicht und Autos sind keine gute Lösung, ob elektrisch oder nicht. Wir sind in Deutschland schon nicht schlecht, was den ÖPNV betrifft. In den letzten Jahren war ich viel in den USA und dort ist der ÖPNV fast überall eine völlige Katastrophe. Selbst wenn man wollte, würde man die meisten Ziele schlicht nicht erreichen, egal wieviel man bezahlt oder wielange man unterwegs sein würde. Hierzulande kommt man zumindest in akzeptabler Zeit fast überall hin.

Die Krux an der Sache ist nur, dass seit Jahrzehnten der ÖPNV viel zu teuer ist – von den undurchsichtigen Tarifstrukturen gar nicht erst zu sprechen. Als in meiner Heimatstadt vor knapp 30 Jahren das Semesterticket eingeführt wurde, gab es ein großes Getöse darum herum. Das sei nicht kostendeckend, die Infrastruktur würde überlastet etc. etc. Wie sich rausstellte, alles Mumpiz, es war ein großer Erfolg! Die Parkplatzsituation an der Uni entspannte sich schlagartig, weniger Autos in der Stadt, auf wundersame Art und Weise schafften die lokalen Verkehrsbetriebe gefühlt zum ersten mal seit 30 Jahren neuen Busse an (und gingen daran nicht pleite), die Studierenden waren glücklich, alles super! Wenig später wurden Semestertickets in ganz NRW für ganz NRW eingeführt, ein Ticket für den gesamten ÖPNV in NRW, flat, ohne Einschränkung. Im Gegenteil, Studierende können sogar noch eine Person auf ihr Ticket kostenlos mitnehmen. Wie genial ist das denn!? Die Kosten liegen heute bei ca. 200EUR – pro Semester wohl gemerkt, also für sechs Monate, das macht also gut 30EUR pro Monat. Es geht also.

Das 9EUR Ticket war von vorne herein, meiner Meinung nach, Populismus. Teures Pflaster auf eine klaffende politische Wunde, die sich gerade jetzt entzündet. Die Energiepreise steigen, zurecht, stark an, Mobilität wird für immer mehr Menschen zu einem großen Kostenfaktor. Das 9EUR Ticket konnte nicht nachhaltig sein, ein Strohfeuer.

Doch erste Auswertungen zeigen eine ganze Reihe sehr positiver Effekte. Angefangen damit, dass die Zahl der Schwarzfahrten deutlich zurück ging. Das zeigt entweder, dass weniger kontrolliert wurde oder das vielleicht in der Tat viele Menschen schwarz fahren, weil die regulären Tickets zu teuer sind, sie aber sehr wohl bereit wären, günstigere Tickets zu kaufen. In einigen Regionen hat nachweislich der Auto Verkehr gerade zu Stoßzeiten nachgelassen. Ebenfalls nachweislich gaben Reisende an, erst jetzt mobil zu sein, weil sie es sich vorher nicht haben leisten können.

Also der Bedarf ist da, es wird genutzt und es hat positive Effekte!

Das geht auch an der Politik nicht spurlos vorbei. Doch anstatt nun endlich einmal von grundauf Dinge neu und anders zu denken, verfällt man in alte Muster. Und so denken sie aktuell über ein 69EUR Ticket nach.

Nein, 69EUR sind zu viel! Viel zu viel!

In unserem Wohnörtchen fährt nur 5 Minuten zu Fuß entfernt eine lokale Bimmelbahn in die Stadt zum Hauptbahnhof. Von dort ginge alle paar Minuten einer dieser Studierendenbusse bis fast vor die Tür von unserem Büro. Ideal! Das ganze würde uns zwar etwas mehr Zeit kosten, als direkt Tür zu Tür mit dem Auto, aber trotzdem würde ich das lieber machen, auch der Umwelt zuliebe. Seit Jahren möchte ich das. Aber, immer wieder schaue ich dann auf die Tarife für irgendwelche Dauerkarten und es treibt mir Tränen in die Augen. Eine Monatskarte für diese Mini Strecke würde für eine Person weit über 60EUR kosten. Und das ist dann nur für diese kleine Strecke, wir reden hier nicht von einer NRW Flatrate, nein, nur diese kleine Strecke. Jetzt sind wir zu zweit, wir fahren jeden Tag in einem Auto mit zwei Personen diese Strecke. Macht mit ÖPNV also weit jenseits der 120EUR – pro Monat.

Und das, liebe Leser*innen, das ist das Problem. Denn für 120EUR im Monat kann man locker ein Auto neu kaufen, volle Abschreibung, Wartung und Energiekosten inklusive. Wenn ich also die Wahl habe zwischen Auto, das ich fahren kann wann immer ich möchte oder zusätzlicher Reisezeit, Fußwege, ggf. schlechtem Wetter, Wartezeiten an den Haltestellen, volle Züge/Busse etc. und dann dafür auch noch mehr Geld zahlen muss (und auch nicht mit dem gleichen Verkehrsmittel auch mal woanders hinfahren kann, so wie mit dem Auto), dann kaufe ich mir wieder ein Auto. Ich bin doch nicht irre und zahle für eine geringwertigere Leistung, die unter dem Strich auch noch deutlich geringeren Komfort bietet, fast doppelt soviel Geld?

So wird das nichts, mit der Verkehrswende!

In der Zwischenzeit kam auch mal der Vorschlag für ein 29EUR Ticket auf, also in etwa 1EUR pro Tag. Das würde sich für uns so gerade eben rechnen und erscheint mir ein ganz guter Kompromiss. Es darf nicht zu teuer sein, damit es möglichst viele einfach immer kaufen und damit zur Finanzierung beitragen.

Ich würde sogar noch weiter gehen und es als politische Aufgabe betrachten, den regionalen ÖPNV immer fahrscheinfrei zu machen, getragen von den Kommunen, ggf. gegenfinanziert durch irgendwelche Umlagen. Damit könnten dann Innenstädte schlicht Auto frei gemacht werden, Parkplätze am Stadtrand. Es gibt einige Modellrechnungen, wie hoch alleine die Verwaltungskosten des Fahrscheinbetriebs sind – immens! Die Deckungslücke zu fahrscheinlos ist viel kleiner, als man denken würde. Etwas wohl betuchtere Städte und Regionen machen es vor, es geht und findet große Akzeptanz.

Ich zumindest bin nicht geizig. Ich habe kein Problem damit, für etwas Geld zu bezahlen. Doch ich muss für mein Geld ordentlich arbeiten und erwarte entsprechend, wenn ich Geld ausgebe, dass ich auch eine meiner dafür geleisteten Arbeit entsprechende Leistung bekomme. Keine Leistung, kein Geld. Schlechte Leistung, wenig Geld. Gute Leistung, gerne gutes Geld. Recht einfach. ÖPNV in Deutschland heute? In den allermeisten Regionen eher mäßige bis schlechte Leistung für viel zu viel Geld. Das muss sich ändern – schnell!

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