Umstellungen Umstellungen

      Keine Kommentare zu Umstellungen Umstellungen

Seit dem 12.5. lebe ich nun öffentlich voll „als Frau“ – mit den Begriffen „als Frau“ oder dem „in der weiblichen Rolle“ habe ich wirklich meine Probleme, doch dazu schreibe ich später mal etwas. Also seit dem 12.5. bin ich nun 24/7 für alle um mich herum nur noch die Nicole. Meine Freunde wissen das bereits eine Weile länger, für sie war das also nichts sonderlich Neues mehr. Sie freuten sich vor allem, dass die Heimlichtuerei nun endlich aufhörte.

Doch jetzt merke ich erst so langsam, was im Alltag alles an dem Vornamen hängt.

Bis vor einigen Monaten, ja sogar Wochen, hatte ich echte Bedenken wegen einer Vornamensänderung. Bedenken ist vielleicht etwas viel gesagt, aber ich empfand es irgendwie als unnötig. Soviel Aufwand, nur um ein paar Buchstaben auf einem Stück Papier zu ändern? Ich dachte dabei vor allem an Dinge wie Ausweise – wer guckt sich die schon an? Wann brauche ich die mal? Und dann könnte es mir wegen anti-Diskriminierungsgesetz auch egal sein, denn Offizielle wie Polizei, Zoll etc. *müssen* dann geflissentlich die Klappe halten, und das wissen sie auch, weil sie sonst eine heftige Dienstaufsichtsbeschwerde kassieren könnten.

Doch es beginnt mit scheinbaren Trivialitäten.

Da hatte ich direkt an dem 12.5. Montag einen Zahnarzttermin. Da ich nun ständig erkennbar weiblich lebe, musste das irgendwie geklärt werden, denn angemeldet war dort noch der Mann. Glücklicherweise war meine Krankenkasse so nett, mir bereits ohne amtliche Vornamensänderung dennoch eine neue Karte auf den neuen Namen auszustellen. So konnte ich dann recht schnell am Empfang klar machen, was ich wollte. Dennoch klappte das nicht auf Anhieb und ich wurde noch als „Herr XY“ aufgerufen, woraufhin sich die Zahnarzthelferin, als ich aufstand und lächelnd auf sie zu ging, aber sofort entschuldigte.

Mir zeigt gerade dieses Beispiel endgültig, dass eine Uneindeutig gesellschaftlich nur schwer möglich ist. Selbstverständlich könnte ich versuchen, mich immer und überall zu erklären, „ich bin biologisch männlich, lebe aber nun als Frau,…“ aber mal ehrlich, das wäre doch auch für die Menschen, die dann mit mir zu tun haben, eine Zumutung?

Noch anschaulicher wird es beim Bezahlen mit Plastikgeld, also EC- oder Kreditkarte. Da steht ein Name drauf und die Karten sind offiziell nicht übertragbar. Mit anderen Worten, eine Akzeptanzstelle, bspw. ein Geschäft, können und müssten eigentlich prüfen, ob Karteninhaber und Kartenbesitzer gerade in einer Person vor ihnen stehen. Jetzt gibt es dann bei mir eine eindeutige Diskrepanz zwischen physischer Erscheinung als Frau und einem männlichen Namen auf der Karte. Das ganze *könnte* man dann natürlich hinreichend erklären, Ausweis rausholen etc. Doch will man das? Bspw. in einer Tankstelle oder im Supermarkt, mit noch 20 anderen Kunden hinter einem? Dann die etwas peinliche Diskussion mit dem Kassenpersonal ausfechten?

Ich habe bei einer meiner Banken nachgefragt, ob ich nicht zumindest eine Zweitkarte auf den neuen Namen bekommen könnte. Doch die verweigerten das im ersten Anlauf, solange der Name noch nicht offiziell geändert wurde. Doch das kann bis zu einem Jahr dauern! Was mache ich in der Zwischenzeit?

Die Argumente der Bank sind meines Erachtens nach fadenscheinig. Sie argumentieren mit §154 Abgabenordnung, dass ein Konto _und_ Verfügungsberechtigung nicht auf einen nicht amtlichen Namen laufen könnten. Das mit dem Konto(-Inhaberin) sehe ich ja noch ein. Doch eine Verfügungsberechtigung? Man würde eine weitere Unterschriftenkarte anlegen und damit wäre wieder eine eindeutige Zuordnung gegeben. Da das die Bank ist, bei der das sehr gut laufende Firmenkonto liegt, habe ich etwas Hoffnung, dass die sich nach meinem begründeten Einspruch nun nochmal etwas genauer erkundigen.

In diesem Zusammenhang habe ich auch eine Stellungnahme einer Juristin gefunden, Frau Maria Sabine Augstein, Rechtsanwältin:


Zur Rechtsstellung Transsexueller nach dem Coming-Out bis zur offiziellen Vornamensänderung


Für eine Vornamensänderung nach § 1 TSG ist eine abgeschlossene Diagnose der Transsexualität notwendig. Die Gutachter sind in der Regel nicht bereit, diese Diagnose zu stellen, wenn die/der Betroffene nicht über einen längeren Zeitraum in ärztlicher bzw. psychotherapeutischer Beobachtung oder Betreuung gestanden hat, und wenn sie/er noch keinen Alltagstest absolviert hat. Die TSG-Verfahren dauern auch immer länger; inzwischen sind 12 Monate absolut normal, auch wenn es sich um einen Routinefall handelt, der in der Begutachtung keine Schwierigkeiten aufwirft. Die Betroffenen müssen daher einen erheblichen Zeitraum ohne entsprechende Papiere in der neuen Identität leben.


Das Auftreten in der neuen Rolle und Identität ist natürlich zulässig!


Hierbei darf frau/mann auch den neuen Namen verwenden, nicht nur mündlich, sondern auch im Schriftwechsel (privat und mit Behörden!). Auch die Unterschriftsleistung ist rechtsgültig und keine Urkundenfälschung. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der „falsche“ Name als Mittel eingesetzt wird, den Vertragspartner um seine Gegenleistung zu bringen.


Es können daher unter dem neuen Namen Verträge abgeschlossen werden (z.B. Kauf-, Miet- und Versicherungsverträge).


Auch andere Personen und Institutionen (Arbeitgeber, Behörden) dürfen den neuen Namen verwenden. Ich habe z. B. entsprechende Schreiben und Bescheide des Arbeitsamtes, der Krankenkassen und der Rentenversicherung gesehen, die schon vor der gerichtlichen Namensänderung den neuen Vornamen gebrauchten.

Das gibt etwas Hoffnung. Nur leider auch keine Pflicht für diese Stellen, dies auch mitzumachen. Das bedeutet also, man ist hier auf guten Willen angewiesen und so sollte man sich auch entsprechend freundlich ihnen gegenüber verhalten – bestimmt, aber freundlich.

Jetzt bin ich auch noch selbstständig und meine Firma ist im Handelsregister eingetragen. Das bedeutet also zwangsläufig, dass mein „alter“ männlicher Name eben im Handelsregister steht. Aber entsprechend steht er dann auch weiterhin überall dort, wo der Firmeninhaber zu nennen ist, bspw. im Impressum der Web-Seite. Leider wurde gerade ein sehr negatives Urteil gesprochen, was eine vollständige Änderung sogar noch nach der offiziellen Vornamensänderung schwer bis unmöglich macht, Udo Vetter vom Lawblog berichtete darüber:

http://www.lawblog.de/index.php/archives/2014/05/27/handelsregister-immer-wahr-immer-klar/

Ich muss offen gestehen, das finde ich eine grandiose Sauerei und widerspricht dem Grundgedanken des Transsexuellengesetzes (TSG). Ich denke auch, dass es rechtswidrig ist und dem §5 TSG, Offenbarungsverbot widerspricht. Aber was soll man dagegen tun?

Auf der anderen Seite sind alle unsere Kunden einfach nur großartig und machen das super mit. Alle mit denen ich seitdem zu tun hatte, und das waren bestimmt über 30, haben keinerlei Probleme gezeigt und verwenden nun konsequent den neuen Vornamen und Anrede.

Eingangs schrieb ich ja noch, dass ich das alles mal recht locker gesehen hatte und sehen wollte. Doch zunehmend sehe ich einfach diese ganzen Sachzwänge und möglichen blöde Situationen. Also habe ich angefangen, ganz konsequent alles umzubenennen – eMail Konten, Zugangsdaten etc. Und ich werde darauf bestehen, dass mein Gegenüber den neuen Namen und Anrede verwendet. Es geht nicht anders. Und ich werde wohl oder übel nun doch den Antrag auf Vornamens- und Personenstandsänderung nach TSG stellen – müssen. Eigentlich hatte ich überlegt darauf zu verzichten oder auf eine Regelung zu warten, die ohne diese irrwitzigen Gutachten auskäme.

Nunja, mal sehen.

Doch schon jetzt freue ich mich einfach darüber, wenn immer mehr Post an Nicole kommt 😉

Alles wird gut!