Was geschah :)

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Jetzt sind schon wieder fast sechs Wochen vergangen – die Zeit vergeht wie im Flug!

Wie ist es mir also in den letzten Wochen ergangen? Was hat sich verändert?

Nun, eigentlich nicht viel und doch eigentlich alles. Die Normalität ist fast endgütlig hergestellt. Ich denke im normalen Alltag kaum noch daran oder darüber nach, dass ich vor einiger Zeit noch ganz anders aufgetreten bin und wahrgenommen wurde. Heute ist es für mich eine Selbsterständlichkeit, mich als Frau zu zeigen und erwarte jetzt auch als solche erkannt und angesprochen zu werden. Ich muss gestehen, dass es mich zunehmend schmerzt, wenn dann doch noch dem ein oder anderen ein „er“ oder mein alter Name rausrutscht. Das ist zwar einerseits völlig verständlich, dass gerade Menschen, die mich bereits jahrelang kannten, dies nicht von jetzt auf gleich über Board werfen können. Doch mein Selbstempfinden und Selbstverständnis wird dadurch zunehmend erschüttert, obwohl ich das eigentlich nicht möchte. Ich möchte Verständnis dafür haben, aber dennoch spüre ich es wie kleine Nadelstiche.

Aber das ist wirklich jammern auf ganz hohem Niveau. Denn eigentlich habe ich ein schier unglaubliches Glück und bisher, immerhin gut acht Wochen nach meinem öffentlichen Wechsel, kann ich eigentlich nichts Negatives berichten. Mein gesamtes Umfeld akzeptiert mich, so wie sie mich auch vorher als Mann auch akzeptiert haben. Sogar bei den Kunden, ich bin selbstständig mit einer kleine Firma in der aktuell 10 Leute arbeiten, sorgte meine „kleine Veränderung“ für praktisch kein Problem. Einem Kollege eines Kunden konnte ich allerdings am Telefon anmerken, dass er damit ein Problem hatte. Also fragte ich ihn, was das Problem sei und ob ich ihm vielleicht helfen könne dies zu überwinden. Sein Problem war ganz einfach – dadurch, dass er sich das so recht überhaupt nicht vorstellen konnte, wie sich soetwas anfühlen könnte, dass es einen Menschen zu solch einen drastischen Schritt treibt, konnte er auch für mich kaum Verständnis aufbringen. Er tolerierte es zwar, aber ich spürte schon eine deutliche Distanz.

Also habe ich versucht, es ihm etwas begreiflich zu machen. Dazu sollte ich sagen, dass dieser Kollege ein Paradebeispiel eines Mannes ist – Vollbart, kräftig gebaut und lebt ganz offenbar seine Männlichkeit aus.

Für ihn schrieb ich daraufhin folgenden Erklärungsversuch:


Also zunächst zu dem Warum, wie kommt man auf so eine krasse Idee?

Dazu möchte ich vorweg schicken, dass das bei mir, wie bei vielen anderen meiner Leidensgenossinnen und -Genossen, ein langer und harter Weg ist, sich schlussendlich darüber bewusst und klar genug zu werden, um eine solch weitreichende Entscheidung zu treffen. Ich habe dafür über 30 Jahre gebraucht, denn im Prinzip weiß ich solange schon, dass ich ein Problem in dieser Richtung habe.

Das ist nicht leicht zu verstehen und noch viel schwerer nachzuvollziehen. Ich versuche es mal an einem Gedankenexperiment.

Versuchen Sie sich einmal von allgemeinen gesellschaftlichen Konventionen Ihres Umfeldes zu lösen. Sagen wir mal, Sie seien alleine auf einer einsamen Insel, kein anderer dort und auch keine Gefahr, dass plötzlich ein Dritter auftaucht. Bedingung für diesen Aufenthalt ist allerdings, dass Sie sich dort als Frau aufhalten müssten – Kleidung und entsprechende weitere Accessoires, ggf. etwas Make-Up, vielleicht so, wie die durchschnittliche Kollegin in Ihrer Firma.

Das ist jetzt sicherlich spontan für Sie ein völlig abwegiger Gedanke. Verständlich! Mal angenommen Sie würden es dennoch machen, wie würde sich das wohl anfühlen, sich so dort aufzuhalten?

Ich wäre mir sicher, Sie fühlten sich falsch, verkleidet und nicht Ihrer Persönlichkeit entsprechend. Jetzt sind das alles nur „Sachen“ und man könnte argumentieren, nuja, da ist nichts dran, was wirklich geschlechtsspezifisch wäre, bspw. im Gegensatz zu Damen-Hygieneartikeln, die wirklich nur bei einer biologischen Frau Sinn machen. Aber ein Rock? Ohrringe? Make-Up? Das würde in gleichem Maße auch an einem Männerkörper funktionieren. Also was ist es dann, was einem das Gefühl vermittelt, dass das, was man da tut, so falsch ist?

Da spielen viele Dinge mit hinein, wie Sozialisation und Erziehung. Wir haben bestimmte antrainierte Rollenbilder im Kopf, über die wir uns nur schwer hinwegsetzen können und diese beeinflussen massiv unser Denken und Empfinden. Sie identifizieren sich voll und ganz als Mann. Das bedeutet für Sie dann, dass Sie sich auch ihrem persönlichen Bild der Rolle „Mann“, wie Sie es seit vielen Jahren erlernt haben, ganz natürlich zeigen, geben und verhalten. Sie fühlen sich auch in dieser Rolle mit ihren äußeren Merkmalen wohl, richtig und stimmig. Gezwungen zu sein, die Merkmale der anderen Geschlechterrolle zu zeigen, würde Ihnen massiv widerstreben, weil es Ihrem eigenen Empfinden Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Identität ganz und gar nicht entspräche.

Und das ist genau der Punkt. So fühlte ich mich die ganzen Jahre in der männlichen Rolle. Es passte nicht, es stimmte nicht und ich konnte mich damit nicht identifizieren. Das führt dazu, dass ich mich ständig unsicher fühlte, weil ich eben einen Teil von mir verstecken musste, da er nicht zur „Rolle“ passte und nicht zu dem, was man von mir erwartete.

Warum das so war und ist, kann ich nicht erklären. Genaugenommen kann das bis heute niemand, doch alle wissenschaftlichen Disziplinen, die sich bisher mit dem Thema Transsexualität beschäftigt haben, sagen eindeutig, dass es eben diese individuelle Geschlechtsidentität gibt. Jeder Mensch hat eine, doch wie sie gebildet wird, weiß man nicht. Man weiß nur, dass sie schon zur Geburt vorhanden und nicht veränderbar ist.

Sie fragten auch nach solchen Dingen wie Geschlechtsangleichende OP.

Nun, das ist recht individuell. Die ganze Sache ist ja eine reine Gefühlssache und so ist es auch recht unterschiedlich und sollte es auch sein. Solche OPs sind doch sehr große und risikoreiche Eingriffe und daher sollte man sich das sehr gut überlegen. Die Grundfrage dabei ist dann, „stört“ einen das wirklich so sehr, dass man dieses massive Risiko in Kauf nehmen möchte bzw. muss? Ich für mich kann sagen, ja, ich wäre ganz sicherlich sehr glücklich, wenn mein Körper mit einem Knall in allen Details dem einer Frau entspräche. Doch diesen „Knall“ gibt es nicht und so wäre es ein sehr beschwerlicher und risikoreicher Weg mit sehr ungewissem Ausgang. Also mache ich lieber nur das, was ich unbedingt ändern muss und von dem das Risiko überschaubar ist. Eine große Geschlechtsangleichende OP steht daher auf meinem Wunschzettel zur Zeit recht weit hinten an.

Ich komme so ganz gut klar. Das kann sich aber auch verändern. Ich stehe jetzt noch sehr am Anfang und beginne gerade erst meiner Identität entsprechend auch im Alltag zu leben – seit jetzt knapp vier Wochen. Es kann sehr gut sein, dass sich in den nächsten Wochen und Monaten noch so einiges verändert. Der einzige Weg dies herauszufinden ist aber, es ergebnisoffen auf sich zukommen zu lassen. Es gibt keine Tests, mit denen man eindeutige Aussagen treffen könnte, was denn wie für wen richtig sei. Glücklicherweise gibt es auch keine gesetzlichen oder anderen Vorschriften mehr, die einen in diesen Entscheidungen bevormunden würden. Das war bis 2011 anders, wurde aber durch das Bundesverfassungsgericht untersagt.

Sie fragten danach, ob das nicht inkonsequent sei?

Nunja, ich denke nein. Denn das, was Sie dabei als „konsequent“ voraussetzen ist ein Bild, dass so auch nur in der Idealvorstellung existiert. Kein Mensch gleicht dem anderen und es gibt schon alleine soviele natürliche Variationen, die dieses intuitive Bild massiv erschüttern würden. Mann und Frau sind lange nicht so eindeutig, wie man sich das spontan vorstellen würde – dazu habe ich gerade einen längeren Vortrag gehalten. Für die Mehrheit der Menschen trifft das sicherlich zu. Doch für ca. 20% der Bevölkerung nicht. Nur merkt man es ihnen in der Regel nicht offensichtlich an, so wie Sie es mir auch nicht anmerken, mal platt gesprochen, was ich „in der Hose“ habe.

Etwa 10% der Bevölkerung empfinden eine, wie stark auch immer ausgeprägte, Diskrepanz zwischen ihrem biologischen Geschlecht und ihrem Geschlechtsidentitätsempfinden. Für die meisten dieser 10% sind es nur Gedanken und sie kommen damit ohne Veränderungen klar. Doch für 1,7% bis ca. 4% ist diese Diskrepanz so stark, dass sie sich dazu gezwungen sehen, Veränderungen zuzulassen.

So war es eben auch bei mir. Diese Diskrepanz hat mich zunehmend belastet und meinen Alltag beeinflusst. Ständig war da diese Unsicherheit und die Belastung aus dem Gefühl heraus, dass das, was man da empfindet, etwas völlig abwegiges, ja sogar fast verwerfliches sei. Es dauerte für mich dann eben jene über 30 Jahre darüber hinweg zu kommen und mich selbst endlich so anzunehmen, wie ich nunmal bin. Ich kann nichts dafür, dass es so ist und dagegen anzukämpfen, was ich diese Jahre versucht hatte, war völlig sinnlos.

Jetzt wo ich endlich selbst dazu stehen und es zudem auch noch offen leben kann, verändern sich viele Dinge zum Positiven. Die Unsicherheit ist verschwunden. Ich kann offener und freier mit anderen Menschen umgehen. Ich bin ruhiger geworden, gesprächsbereiter. Und ich fühle mich endlich wohl „in mir“ und kann mich morgens im Spiegel anlächeln.

Für jemanden, der diese Gefühle noch nie hatte, ist das sicherlich alles etwas abgehoben und klingt vielleicht etwas seltsam. Doch ich hoffe, dass Ihnen obige Erklärungen zumindest einen kleinen Einblick geben konnte, was einen doch dazu treiben kann.

Etwas später antwortete er mir und bedankte sich für diese für ihn anschauliche Erklärung. Seitdem haben wir wieder den gleichen Kontakt wie zuvor.

Auch ein langjähriger Freund war nach dieser „Offenbarung“ etwas zurückhaltend und antwortete zunächst nicht auf meine eMail. Etwas später traf ich ihn bei einer Grillfeier eines Freundes wieder. Ich meinte schon zu merken, dass er den direkten Kontakt mit mir mied. Am Buffet trafen wir uns dann doch direkt und ich sprach ihn also vorsichtig darauf an. Erstaunlicherweise hatte er mit der Tatsache an sich eigentlich gar kein wirkliches Problem. Sein Problem war schlicht, dass er nicht wusste, wie er damit und dann mit mir umgehen sollte und deshalb wusste er auch nicht, was er auf meine eMail hätte antworten sollen. Es war ihm deutlich anzumerken, dass er eigentlich Angst davor hatte, dass ich mich dadurch auf einmal in irgendeiner Form drastisch verändern könnte. Doch nach ein paar Minuten lockerer Plauderei und der Versicherung, dass ich mich dadurch ganz sicher als Person nicht nennenswert verändern würde, war das Eis gebrochen. Seitdem können wir auch uns wieder ganz normal begegnen.
Probleme wie diese werden wir immer wieder im Alltag haben. Oft werden wir sie sicherlich gar nicht mitbekommen, denn nicht mit allen Personen, denen wir begegnen, haben wir ausreichen lange Kontakt, um davon überhaupt zu erfahren. Mein Eindruck ist, dass diese Probleme nach wie vor auf massiver Unwissenheit beruhen. Fast niemand weiß etwas über Transgender im Allgemeinen oder Transsexuellen im Besonderen. Wie sollten sie uns daher spontan „verstehen“, wenn wir ihnen begegnen? Das ist illusorisch und naiv. Wir müssen also dafür sorgen, dass es mehr Aufklärung gibt. Erst dann wird dies aufhören.
Doch es gibt natürlich auch viel Schönes und Positives 🙂

Vor jetzt knapp drei Wochen war ich ein paar Tage in Berlin bei einer Business Veranstaltung. Was ich nicht so wirklich wusste war, dass dies eine doch eher freakige Veranstaltung war. Ich erschien dort dann im netten Business Kostüm und fühlte mich etwas over-dressed. Doch wie sagte mein Schwiegervater in-spe: Man kann nie zu gut angezogen sein. Also machte ich mir nichts daraus. Einen Abend auf dem Rückweg von der Veranstaltung ins Hotel, es war schon spät und ich hatte noch nichts zu Abend gegessen, endete ich in einer der überall in Berlin vorhandenen Döner-Buden um die Ecke meines Hotels. Beim Betreten war ich doch ein klein wenig verunsichert, denn man weiß ja, dass arabisch/muslimische Männer schon ein für uns Europäer recht seltsames Frauenbild haben. Und wenn dann zu dem noch eine Frau dort auftaucht, die man vielleicht (oder vielleicht auch nicht?) als nicht ganz „normal“ erkennen könnte, was würde dann wohl passieren?

Natürlich nichts.

Zum Essen meines Dürüm setzte ich mich an einen der Tische und am Tisch gegenüber saßen zwei Männer, die recht augenscheinlich eher aus der Süd-Amerikanischen Region stammten – Brasilien vielleicht? Peru? Keine Ahnung. Dem einen der beiden, dem sogar besser aussehenden, fiel ich offenbar auf – nunja, das ist auch nicht so schwer, mit Pumps gut 1,90m lang, schlank, Knie langer Rock, weiße Bluse und Blazer, das war schon schick, etwas zu schick für die Döner Bude vielleicht.

So sieht Nicole im Business Dress aus

Ich merkte recht schnell, dass er mich immer wieder ansah und dann sprach er mich an. Woher ich denn käme, ob ich aus der Gegend sei, was ich denn in Berlin machte, ob ich öfter da sei etc. Ich antwortete brav, zurückhaltend, also mit wenig Details, aber ich erzählte ihm doch alles. Dann Pause von ihm. Dann nächster Anlauf, er fragte mich nach meiner Visitenkarte, was ich aber dann doch freundlich ablehnte – das ging mir dann schon etwas zu weit. Langsam war ich etwas verunsichert, was er von mir wollte. Als ich gegessen hatte und aufstand um zu gehen, zückte er seine Karte und bot sie mir an.

Jetzt war mir endlich klar was er wollte! Der hatte doch in der Tat mit mir geflirtet! Ich Dussel hab’s nicht gemerkt! Nunja, war ja auch das erste mal, dass ich so offen angemacht wurde und dann auch noch von einem Mann 🙂 Jetzt wo mir das endgültig klar war, zeigte ich ihm im Vorbeigehen meinen Ring am Finger, wackelte damit und zuckte mit den Schultern. Das verstand er – ich war bereits vergeben, tut mir leid.

Das war schon ein Erlebnis 🙂

Dies sind nun diese kleinen anderen Veränderungen, die sich nun im Alltag ergeben und die ich langsam lernen muss. Manche Dinge sind für Frauen, völlig wertfrei, einfach etwas anders. Als Frau wird man anders betrachtet. Für andere Frauen ist man potentielle Konkurrenz, für Männer potentielles Eroberungsziel. Als Mann gab es soetwas für mich nicht 😉 Eigentlich hatte ich als Mann nie das Gefühl betrachtet und schon gar nicht begutachtet zu werden. Das ist für Frauen und etwas spezielle Frauen wie mich im Besonderen schon eine etwas andere Nummer.

Als Frau bekomme ich nun die Tür aufgehalten, anstatt sie selbst aufzuhalten. Was manchmal zu amüsanten kleineren Zwischenfällen führt, denn ich bin eigentlich ein höflicher und zuvorkommender Mensch. Also greife ich eigentlich lieber selbst zur Türklinke als den Mann vor zu lassen, um dies für mich zu erledigen. Das führt dann schon manchmal zu kleineren Verwicklungen 🙂 Aber alles nett und positiv, also nichts, über das man sich beschweren oder sogar aufregen müsste. Ich muss dabei eher immer mal wieder innerlich schmunzeln.

Ähnlich war es beim ersten mal im Restaurant mit einer Gruppe Herren eines Kunden. Also eine fast ausschließliche Männerrunde – außer mir. Für mich ist das auch noch etwas neu, nun die Henne im Korb zu sein. In besagtem Lokal führte das dann einfach dazu, dass ich die Speisekarte als erstes bekam, vor meinen Gästen, den Kunden. Das ließ mich auch kurz innerlich zusammenzucken und ich war schon fast dabei abzulehnen, als mir bewusst wurde, warum das gerade so passierte und ich dann doch freundlich lächelnd die Karte annahm.

Es sind solche Erlebnisse, die es einfach schön machen, endlich so zu leben, wie man es für sich selbst als richtig empfindet. Nicht weil ich zuerst die Karte bekomme oder keine Türen mehr selbst aufmachen müsste, sondern weil mir solche Erlebnisse zeigen, dass mich auch das Umfeld als das wahrnimmt und vor allem annimmt, wie ich es für mich als richtig empfinde.