Stonewall, der Film

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Heute Abend wurde, wie jedes Jahr, vor dem Siegener CSD am 30.7., im Rahmenprogramm zum CSD ein Film mit Bezug zu LSBTTIQ* Themen gezeigt. Letztes Jahr war dies „Eine neue Freundin„, dieses Jahr der Roland Emmerich Filme „Stonewall„.

Im Vorfeld hat der Film eine Menge Kritik abbekommen, die sicherlich auch nicht ungerechtfertigt ist. Andererseits frage ich mich schon manchmal, wie ein Kino Film wohl aussehen würde, wenn man es allen Kritiker_innen und allen Gruppenvertreter_innen gerecht machen wollte? Würde dies überhaupt noch jemensch ansehen wollen?

Emmerichs Film ist Unterhaltungskino. Er erzählt die Vorgeschichte und Geschehnisse, mit einiger dichterischer Freiheit, die schlussendlich zu den Stonewall Riots rund um den Stonewall Pub in der Chrstopher Street im New Yorker Stadtteil Greenwich Village führten. Geschehnisse, die in ihrer Folge die Gay Pride Bewegung auslösten und bis heute durch die vielen Homosexuellengruppierungen und die CSD Paraden selbst immer noch lebendig ist. Die Ereignisse vom Juni 1969 werfen lange Schatten, 47 Jahre, fast ein halbes Jahrhundert, sind diese Ereignisse nun bereits vergangen und noch immer müssen Homosexuelle, trans* und queere Menschen in vielen Ländern und Situationen um ihre Existenz fürchten.

Der Film kann nur einen kleinen Spalt der Einsicht in die vielschichtigen und bis heute andauernden Problematiken öffnen. Vielleicht macht er diese Problematiken für ein ein klein wenig breiteres Publikum zugänglich, als es bisher war. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob dies wirklich gelingt. Kritiker_innen sagen, dass der Film Homosexualität lediglich als ein Phänomen von Prostitution und speziellen Randgruppen darstellt. Diese Kritik würde ich teilen. Damit findet, wieder einmal, eine Exotisierung dieser Menschengruppe statt. Homosexuelle werden als eine Abnorme Randgruppe der Gesellschaft wahrgenomen, die man allenfalls zur Befriedigung niederer Triebe in Anspruch nehmen könne. Was damit ausgeblendet wird ist, dass Homosexuelle immer bereits ein wesentlicher Teil der Mitte unserer Gesellschaft darstellen, sie aber ignoriert oder sogar unterdrückt werden.

Eine weitere zu teilende Kritik ist, dass trans* Menschen nicht korrekt dargestellt werden. Trans* Menschen gibt es ebenso lange wie Homosexuelle, bis vor die Antike reichen die Berichte. Trans* ist keine Erfindung der Neuzeit. In dem Film kommen diese aber praktisch nicht vor, allenfalls DRAG Queens oder schwule Männer mit einem tuntigen Verhalten. Auch dies gibt es und es gehört zur schwulen Kultur, wie die DRAG Kings zur lesbischen Kultur. Doch das ist eben etwas anderes als trans*, was auch damals 1969 durchaus auch medial bereits bekannt war, z.B. durch Personen wie Christine Jorgensen.

Dies ist insbesondere wichtig um zu verstehen, was nach den ersten Ausschreitungen im Juni 1969 passierte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Clubs wie das Stonewall Inn oder andere ähnliche Lokale, Treffpunkte für Menschen aus dem gesamte LSBTTQ* Spektrum, Schwule, Lesben, Trans* und queere Menschen. Die Riots wurden von ihnen allen getragen, gemeinsam traten sie dem Unrecht entgegen und für ihre Rechte als Menschen ein. Recht bald danach emanzipierten sich die Gruppen, allen voran die schwulen Männer, und spalteten die Gemeinschaft. Zunächst trennten sich die Homosexuellen von den trans* Menschen. Den einen ging es um ihre Sexualität, den anderen um die Anerkennung ihres persönlichen Geschlechts. Geschlecht und Sexualität haben nicht unbedingt etwas miteinander zu tun, also sollte hier Eindeutigkeit geschaffen werden. Wenig später wurden auch die Lesben von den Gay Prides ausgeschlossen und so waren es am Ende hauptsächlich homosexuelle Männer, die die Gay Pride nach außen darstellten. Von der ursprünglichen Koalition blieb praktisch nur eine Gruppe öffentlichkeitswirksam übrig, die schwulen Männer.

Dies hat sich in den letzten Jahren wieder verändert. Die Homosexuellenbewegungen haben viele ihrer Ziele erreicht, auch wenn noch viel zu tun bleibt, auch in Deutschland. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass alle im LSBTTIQ* Spektrum eigentlich gegen die gleiche Sache ankämpfen, nämlich ein heteronormatives Patriachat. Dies vereint uns alle, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle, (Trans*, ) Intersexuelle, Queer, * Immer mehr und öfter finden diese Gruppen heute wieder zusammen, um sich gemeinsam zu emanzipieren, für unsere gemeinsamen (Menschen-)Rechte einzutreten, für Gleichheit und Gleichbehandlung, in allen Lebensbereichen. Dies kann der Film nicht transportieren, aber vielleicht dennoch einen Ansatz anbieten, sich damit zu beschäftigen.

Bei Vimeo gibt es eine tolle Dokumentation über Marsha P. Johnson, eine der ersten Personen, die sich im Juni 1969 zur Wehr setzte und damit die Unruhen, zumindest zum Teil, mit auslöste. Sie war eine schwarze DRAG Queen, oder schlicht Queen, wie sie auch ihre Freunde nannten. Aber seht selbst:

Pay It No Mind: Marsha P. Johnson

https://vimeo.com/41327842

Leider starb Sie 1992 (46). Sie wurde kurz nach einer CSD Pride Parade in New York tot aus dem Fluss gezogen. Zunächst wurde Suizid vermutet, doch das ist eher unwahrscheinlich. Erst 2012 wurde auf Druck von Aktivist_innen der Fall neu untersucht, doch leider ohne Ergebnis. Der Verdacht eines Gewaltverbrechens bleibt damit bestehen.

Es sind Aktivist_innen wie Marsha P. Johnson, denen wir unser heutiges freizügiges Leben zu verdanken haben. Aktivist_innen, die bereits 50 Jahre und mehr für etwas eigentlich völlig basales eintreten – Menschenrechte sind universell und unteilbar für alle Menschen, ungeachtet ihrer Hautfarbe, Ethnie, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts.
Menschenrechte gelten für uns alle.