Trans* und der §45b PStG – Ja? Nein? Doch? Vielleicht?

Seit Ende 2018 gilt ein Zusatz zum Personenstandsgesetz, der §45b. Nach diesem Paragraphen kann eine Person ihren amtlich erfassten Personenstand (das Geschlecht) durch Erklärung beim Standesamt in „männlich“, „weiblich“ oder „divers“ ändern lassen. In diesem Zusammenhang kann auch ein neuer Vorname gewählt werden. Voraussetzung ist die Vorlage eines ärztlichen Attests einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“. Das Problem hierbei ist, dass der Begriff „Variante der Geschlechtsentwicklung“ nicht juristisch abschließend definiert ist. Es wurde zwar in der Gesetzesbegründung auf eine Konsensuskonferenz in Chicago von 2005 verwiesen, doch eine Gesetzesbegrúndung ist nicht Teil des Gesetzes und daher zur Entscheidung nicht relevant. Eine juristische Definition von „Variante der Geschlechtsentwicklung“ gibt es nicht.

Was hier vom Gesetzgeber aber gemeint war, sind physiologische Diagnosen von sog. intersexuellen Syndromen. Insbesondere zählen dazu genetische / chromosomale Zustände (wie bspw. Klinefelter XXY), hormonelle (Androgenresistenz etc.) oder uneindeutige Genitalien. Über alle diese Kriterien kann und sollte man streiten, denn diesen liegen teils willkürliche Grenzen zugrunde, mit denen Menschen ihre Individualität abgesprochen wird. Diese Grenzen führten und führen auch heute noch zu schrecklichen „zuweisenden“ Chirurgischen Eingriffen an Kleinkindern, um sie vermeintlich „eindeutiger“ zu machen. Nachweislich führt dies zu mehr Leid als Nutzen. Doch das ist hier nicht das Thema. Sowohl das Bunderverfaassungsgericht als auch der Deutsche Ethikrat haben dem Gesetzgeber für die Novelle des Personenstandsrechts enge Grenzen gesetzt. Konkrete intersexuelle Syndrome durften nicht abschließend benannt werden, weshalb der Gesetzgeber diese unspezifische Formulierung wählte.

Also, für wen ist nun also der neue §45b PStG zugänglich?

Primär natürlich für inter* Personen. Doch vom Wortsinn her lässt „Variante der Geschlechtsentwicklung“ durchaus Spielräume zu und so argumentierten schnell Verbände und Fachpersonen, dass das neue Gesetz auch für andere Personengruppen, wie bspw. trans* Personen zugänglich sein müsste. Manfred Bruns, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, hoch angesehener Jurist und Mitbegründer des LSVD, erstellte Anfang 2019 eine Rechtsexpertise, die zu dem Schluss kommt, dass auch trans* Personen den §45b PStG in Anspruch nehmen könnten (der LSVD veröffentlichte eine Variante davon als Ratgeber hier). In der Folge wurden auch entsprechende Fälle bekannt. Das Bundesinnenmisterium, federführend bei der Entwicklung des §45b PStG und auch verantwortlich für die minimal mögliche Lösung, soll „getobt“ haben, als es davon Kenntnis erhielt. Wenig später erfolgte ein Rundschreiben des BMI an die Bundesländer mit der Bitte, die Standesämter anzuweisen, die Attest genau zu prüfen und beim geringsten Zweifel einer inter* Diagnose die Erklärung der Betroffenen zunächst nicht anzunehmen und die Sachlage genau zu prüfen. In der Folge kommt es seitdem immer wieder dazu, dass Standesämter die ausstellenden Ärzt_innen telefonisch kontaktieren und versuchen, den Ärzt_innen die Konsequenzen einer möglichen Falschattestierung aufzeigen und anregen, das Attest daraufhin vielleicht zu überdenken oder zurückziehen. Dies ist ein unmöglicher Vorgang!

Der Grund hierfür ist einzig und allein, dass das BMI sicherstellen will, dass trans* Personen den §45b PStG nicht in Anspruch nehmen können – aber ohne effektive Rechtsgrundlage. Das BMI bewegt sich hier auf sehr dünnem Eis. Für alle, die sich mit dem Thema befassen, ist das Verhalten des BMI mehr als ärgerlich. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat daraufhin ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, hier als PDF zum Download: Mangold, Markwald, Röhner, Gutachten § 45b PStG

Das Gutachten kommt recht eindeutig zu dem Schluss, dass sich ein ärztliches Attest einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“ keinesfalls ausschließlich auf eine Diagnose eines der intersexuellen Syndrome der Konsensuskonferenz von Chicago beziehen muss, sondern dass jede Art der Interpretation des Begriffs zulässig sein muss, also auch trans*. Es liegt im Ermessen des_der Ärzt_in.

In die gleiche Richtung entschied kürzlich auch das Amtsgericht Münster, das einer trans* Person Recht gab, ihren Personenstand auf Grund von §45b PStG in „divers“ ändern zu lassen, das Urteil und Begründung sind hier nachzulesen: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/muenster/ag_muenster/j2019/22_III_36_19_Beschluss_20191216.html

Das Rechtsgutachten und das Urteil sind zwei sehr starke Argumente für die eine Zugänglichkeit des §45b PStG für trans* Menschen!

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