Trans* auf Reisen – China, nach Tag 1

      2 Kommentare zu Trans* auf Reisen – China, nach Tag 1

Nun bin ich schone einige Tage hier in China und kann bisher nichts Negatives berichten.

Das Einchecken wie immer nett. ich finde es jedesmal wieder erstaunlich, wie wenig es dem Schalterpersonal auszumachen scheint, dass da eine Frau vor dem Schalter steht, aber alle Papiere männlich sind. Was denken die sich wohl dabei? Egal, sie waren super nett und kein Problem. Die Ausreise in Frankfurt war dann, wie immer, ein sehr trockenes Erlebnis. Die Beamten der Passkontrolle waren wie immer nüchtern und emotionslos, da wird keine Mine verzogen. Ticketkontrolle am Einstieg ebenfalls völlig harmlos.

Gut neun Stunden später Landung in Beijing. Ich war ganz schön müde, da ich nicht viel geschlafen hatte. Die Einreise war auch völlig unproblematisch. Das wichtigste ist, dass das Bild im Pass mit der sich präsentierenden Person übereinstimmt und das Visum gültig ist. Der Flughafen Beijing ist einfach riesig und besteht aus, wenn ich mich recht erinnere, vier Terminal Blöcken, von denen jeder einzelne fast die Größe des gesamten Frankfurter Flughafens hat. Wenn die Chinesen schon neu bauen, dann richtig. So dauerte dann auch die Bahnfahrt vom Ankunftsterminal zum Transit-Terminal fast eine viertel Stunde! Und von dort musste ich dann wieder ein Terminal zurück zu meinem Weiterflug nach Shenzhen.

Hier in China falle ich natürlich auf. Nicht zuallererst weil ich trans* bin, sondern weil ich 1,87m groß und Europäisch bin. Ich bin hier Teil einer absoluten Minderheit, denn Westler_innen sind hier, selbst in der Technologie Hochburg Shenzhen, eher eine Seltenheit. Entsprechend fällt man eben auf, nicht negativ, aber man fällt eben auf. Spannend ist, wie dies die Wahrnehmung verändert. Das ständige Auffallen erzeugt einen gewissen Stress, den Soziologen heute als „minority stress“ beschreiben: der alltägliche zusätzliche Stress, den man sich als Angehörige_r einer Minderheit ausgesetzt fühlt, bewusst oder unbewusst.

Eine Erfahrung, die für Menschen, die sonst keiner Minderheit angehören, etwas Besonderes ist, etwas befremdlich und auch beängstigend sein kann, aber trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen, eine wertvolle Erfahrung ist. So ist es eben, wenn man einer Minderheit angehört, egal ob trans*, Person of Color, ethnische Minderheit oder welcher auch immer. Diese Situation und das Gefühl in dieser öffnet einen Spalt in die Erfahrungswelt dieser Personen.

Doch zurück zum Thema. Neben der Tatsache, dass ich als weiße europäische Frau auffalle, habe ich bisher nichts, aber auch gar nichts Negatives bemerkt. Alle sind sehr freundlich, offen, niemand guckt seltsam. Ich habe schon fast den Eindruck, dadurch, dass ich direkt als große westliche Frau erkannt werde, spielt alles weitere gar keine Rolle mehr. Es interessiert sich hier niemand für mich. Gut.

China ist allgemein ein sicheres Reiseland. Selbst abseits der Hauptstraßen ist es meistens sicher, ich habe bisher noch nie Gewalt in der Öffentlichkeit erlebt, auch nicht auf meinen vorherigen immerhin schon sechs China Reisen vor einigen Jahren.

Bei den geschäftlichen Treffen ist es professionell. Die Chinesen interessieren sich anscheinend nicht sonderlich für das Geschlecht des Gegenüber, es geht nur darum, wer was sagt, es geht um die Sache. Das kommt mir sehr entgegen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich hier als Auftraggeberin unterwegs bin und sie Geschäfte mit mir machen wollen und sie deshalb so sind? Wer weiß. Wichtiger Punkt für mich hier ist, es gibt keine Probleme.

Noch fünf Tage bis zum Rückflug…

2 thoughts on “Trans* auf Reisen – China, nach Tag 1

  1. Claudia

    Danke für diesen Bericht. Ich habe hier in Europa mit meinen 187 cm und leider deutlich mehr Kilos leider immer wieder dämliche Kommentare zu hören bekommen. Mit dieser Größe fällt man hier ja nicht so sehr wegen der Größe auf, als dass man dann auf die Transidentität reduziert wird.

    Vielleicht sollte man nach Asien auswandern. Leider ist man dann auch die Krankenkasse los.

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    1. nicole Post author

      Oh witzig, rate mal, was bei mir als Größe im Pass steht? 187cm!
      Wegen vermeintlich weniger Diskriminierung würde ich allerdings nicht aus Deutschland auswandern, höchsten mal überlegen innerhalb Deutschland umzuziehen. Ich bin in den letzten Jahren doch einiges in der Welt herumgekommen, wofür ich auch sehr dankbar bin. Ich stelle dabei immer wieder fest, dass es uns in Deutschland, trotz aller sicherlich berechtigter Kritik, vergleichsweise sehr sehr gut geht. Ich habe mit meiner Partnerin oft hin und her überlegt, mal ein paar Jahre irgendwohin auszuwandern. Gründe dafür gäbe es genug – Wetter, Meer, andere Kulturen etc. Doch in uns reift immer stärker die Erkenntnis, dass es uns hier unter’m Strich doch am besten geht. Krankenversicherung und Sozialsystem im Allgemeinen ist ein Teil davon. Ein anderer wichtiger Teil ist für mich die Rechtssicherheit. Wir haben hier in Deutschland einen gut funktionierenden Rechtsstaat! Das findet man in dieser Form nur selten auf dieser Erde. Deutschland ist zudem ein ziemlich sicheres Land, mit dem sich nur wenige andere Länder messen können. Es gibt kaum Gegenden in diesem Land, in denen man Gefahr läuft, einfach zu verschwinden oder umgebracht zu werden. Das ist in anderen Ländern nicht so. Wo wir hier bei China waren, dort kann es sein, dass wenn Du politisch falsche Dinge tust, Du ohne Anlage, Prozess oder Chance auf Verteidigung einfach im Gefängnis versauerst oder schlimmer noch, an die Wand gestellt wirst. In den USA ist staatliche Willkür nicht ganz so krass, aber dennoch vorhanden und die zivile Rechtlosigkeit in vielen Stadtbezirken noch brutaler. In praktisch allen US Amerikanischen Großstädten gibt es Bezirke, in die man als Besucher_in nicht gehen darf oder man läuft konkret Gefahr, darin zu Tode zu kommen.
      Hier (Deutschland) ist nicht immer alles super und toll, aber wenn ich alles abwäge, dann ist es hier noch immer am besten.

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